Selbstoptimierung? Ne, danke!

9. Juni 2014 Kommentare deaktiviert für Selbstoptimierung? Ne, danke!

„Ich bleib so scheisse, wie ich bin“

Ich sah im Herbst 2013 das Buch auf dem Neuheiten-Tisch und schrie innerlich „ja!!“. Zack, Liebe auf den ersten Blick, Treffer/versunken.
„Ich bleib so scheisse, wie ich bin“ ist ein Beststeller, der seinen Erfolg verdient hat. Schon der Titel schafft Luft. Die Autorin landet einen rotzfrechen Befreiungsschlag gegen alle diejenigen, die uns einreden wollen, wir wären nicht gut genug, nicht schön genug und wir würden nicht genug aus unserem Leben machen.
Der Name der Autorin ist schwierig, man lese ihn zweimal und langsam: Rebecca Niazi-Shahabi. Das klingt nach Multi-Kulti, nach deutsch-israelisch-iranischen Wurzeln, und das stimmt und ist gut so. Diese Frau hat den Blick über den europäischen Tellerrand hinweg. Sie erinnert daran, dass die westliche Kultur der Selbstoptimierung schnell das vergessen lässt, worauf es ankommt: das Leben im Hier und Jetzt und mit den Menschen, die uns wichtig sind.
Allerdings hat sich meine Liebe auf den ersten Blick beim Lesen leicht abgekühlt. Zu viele Allgemeinplätze, zu viele Ratschläge, zu viel Besserwissen. Trotzdem: „Ich bleib so scheisse, wie ich bin“ empfehle ich als eine schmackhafte Medizin gegen das grassierende Robert-Betz-Fieber. Danke schön, Rebecca Niazi Shahabi!

Es ist sooo einfach…

21. Januar 2014 Kommentare deaktiviert für Es ist sooo einfach…

Jeder Mensch kann sich ganz bewusst für ein glückliches Leben entscheiden. Das behauptet ein Großmeister der Branche, Robert Betz.

Er fragt mich, ob ich normal sein will oder glücklich. Ja, da fällt mir die Entscheidung nicht schwer! Schon der Klappentext seines Buches verrät:
„Alles, was uns unglücklich macht, fällt von uns ab, wenn wir erkennen, dass wir wirklich die Wahl haben.«
Ach ja?
Genau an der Überdosis überzüchteter Glückserwartungen kranken wir. Glücksverkäufer aller Art pumpen uns damit voll. Im Ergebnis schaden sie manchen Menschen heftiger als ein Taschendieb.  Denn ein Taschendieb nimmt nur die Brieftasche, aber Glücksverkäufer verschaffen sich eine Art Einzugsermächtigung – für Konten und für Seelen.
»Hallo, du kannst per Beschluss und Knopfdruck zu einem anderen Menschen werden!« Versprechungen wie diese können wie Drogen wirken. Man zieht sie sich rein und schwebt auf rosa Wolken. Das Paradies scheint zum Greifen nahe. Doch die Bruchlandung kommt. Kein Rausch ohne Kater. Je höher die Erwartungen geschraubt werden, umso größer fallen die Enttäuschungen aus.

Man könnte sich wundern: Was ist bloß mit uns los?

21. Januar 2014 Kommentare deaktiviert für Man könnte sich wundern: Was ist bloß mit uns los?

Ein Glücks-Guru nach dem anderen geistert durch Talkshows, füllt Vortragssäle, verkauft massenhaft DVDs und Bücher – und wir sind immer noch nicht glücklich.
Warum klappt es nicht mit dem runderneuerten Leben? Warum muss ein Glücksguru noch ein sechstes, siebtes oder achtes Buch schreiben, warum reicht nicht das erste? Jeder vernünftige Mensch kommt mit etwas Nachdenken auf eine einfache Antwort: weil weder das erste noch das siebte Buch etwas taugt.
Aber es geht nicht um Vernunft. Es geht um tiefsitzende Gefühle, die von den Heilspredigern verstärkt und genutzt werden.
Die meisten dieser Herrschaften wecken zu dem Zweck Erwartungen, die sie nicht halten können. Das ist gut für den Umsatz, aber schlecht für die Anhänger.
Typische Glücks-Ratgeber versprechen nicht nur das Blaue vom Himmel. Sie versprechen gleich den Himmel selbst. Glücklich wird ab jetzt und sofort, wer positiv denkt, stur an den Lottogewinn glaubt und das Wort Krebs nicht mehr ausspricht. Und wenn es doch nicht klappt mit dem Turbo-Glück, hilft die DVD zum Buch – Bestellzettel anbei.
Für ganz hartnäckige Fälle – das sind wir leider fast alle – verkaufen Meisterin und Meister in ihrer umfassenden Menschenliebe sündhaft teure Seminare an exotischen Kraftorten, komplett mit biodynamischer Vollpension, Palmen und weißen Stränden.